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Was hat Raumfahrt, sicher kein alltägliches Arbeitsfeld, mit Standard(s) zu tun? Für Thomas H. Zurbuchen, Ex-Forschungsdirektor der NASA, eine einfach zu beantwortende Frage: Wenn Raumkapseln an die Internationale Raumstation ISS andocken, muss alles ineinandergreifen. Änlich wie beim Barcode von GS1.
16 Mrd. Barcodes werden weltweit jeden Tag gescannt, sagt Jörg Mathis, Geschäftsführer von GS1 Switzerland zum Auftakt des Excellence Day, dem zentralen Event des Jahres von GS1 Switzerland im Kursaal in Bern. «Das ist soviel, wie täglich bei Google an Abfragen getätigt wird».
NASA-CFO J.DeWit (2018), Th.Zurbuchen. Photo: NASA/FOIA A.Gemignani
Für den internationalen Handel, die weltweite Logistik und Identifizierbarkeit von Millionen von Waren und Gütern beim Austausch über alle Grenzen hinweg gibt es zum mittlerweile nahezu allgegenwärtigen Produktcode, inzwischen auf dem Weg zum QR-Format, kaum eine Alternative. Sozusagen eine «leichte Übung» für Zurbuchen, auch «Dr. Z» genannt, anlässlich des Excellence Day in Bern auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache und eines ineinander greifenden Räderwerks hinzuweisen, um sich auf grenzüberschreitendem Parkett und in der internationalen Zusammenarbeit überhaupt verständigen zu können. Wozu natürlich auch die Schweiz als Drehscheibe der richtige Ort ist.
Progress-Transporter im Anflug. Foto: NASA/FOIA
Für «Dr. Z» hat das Koppelmanöver im Weltall als Schlüssel zur Welt für die wissenschaftliche Kooperation über alle Ländergrenzen hinweg (abgesehen davon, dass das Scannen des Strichcode schneller geht als das Andocken an die ISS) mehr als nur eine symbolische Bedeutung. «Was haben Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT), GPS und die Technik unserer Smartphones miteinander gemeinsam?» ergänzt er mit Nachdruck – und beantwortet die Frage gleich selbst. «Sie sind – ursprünglich in der Raumfahrttechnik entwickelt – inzwischen Teil unseres Alltags geworden». Was in zurückliegenden Jahrezehnten natürlich auch immer wieder eine der Grundfragen auf «Mutter Erde» war: Warum sollten Steuerzahler in aller Herren Länder Millionen und Milliarden an öffentlichen Geldern ausgeben, um sie im Erdorbit und in den Weiten des Sonnensystems zu «verpulvern».
«Dr. Z», NASA-Vize-Chefin L.Roe
Vermutlich gäbe es keine bessere Analogie als diese, um den Wert einer gemeinsamen Sprache – die ja auch auf nepalesisch oder bulgarisch lauten könnte – einleuchtend zu erklären. Beim Andocken der Raumflugkörper müssen zwölf Riegel einrasten, um die Schleusen der Transportfahrzeuge zuverlässig und luftdicht zu verbinden. Und auch, was das problemlösende Denken betrifft, sind Raumfahrt-Ingenieure seit Dekaden darauf spezialisiert, Lösungen zu finden, wenn´s mal wieder irgendwo klemmt. Im Fall der Mars Rover, von denen «Perseverance» nur das jüngste unter den mobilen Systemen ist, mit denen die Menschheit (bzw. die Jet Propulsion Laboratories) den roten Planeten beglückt haben, gibt es sogar noch weitere Gemeinsamkeiten mit robotischen Anwendungen in der Logistik. Denn seit Jahren schwebt die Frage über zahlreichen Weltraum-Missionen, wie sich Geräte weitgehend autonom zerstörungsfrei bewegen können, wenn Steuersignale per Funk (bei minimalen 56 Mio. km Distanz zum Mars...) mindestens drei Minuten brauchen, um auch nur die kleinsten Korrekturen durchführen zu können. Bis zur nächsten Unebenheit, einem Abhang oder das Gerät in Schieflage, gar zum Umkippen bringenden Sandhaufen ist es nicht weit. Die Fahrzeuge müssen also selbständig reagieren, um permanent drohendes Ungemach zu verhindern. Das erfordert eine intelligente, wenn nicht sogar von «KI» unterstützte Programmierung.
Das Docking muss klappen. Foto: NASA/FOIA
Zurbuchen erweitert die Perspektive um den Blick zurück auf den «Blauen Planeten» und für das Verständnis klimatischer Vorgänge wichtige Erdbeobachtungsmissionen. Er präsentiert Satellitenbilder wie die des Orbiting Carbon Observatory-3 an Bord der ISS, auf denen per Spektralanalyse tatsächlich erkennbar ist, wieviel CO2 Industrieländer im Kontrast zu weniger entwickelten Regionen ausstossen – oder die Schweiz als hochentwickelte Industrienation Vorbildliches in der CO2-Reduktion leistet; wie weltweit je nach Temperatur die Meeresspiegel schwanken (weil auch H2O unterschiedliche Ausdehnungs-Koeffizienten hat); wie künstliche Erdtrabanten helfen, das Pflanzenwachstum auf der Erde zu analysieren, und den Bedarf an Düngemitteln in der Landwirtschaft zu reduzieren; nicht zuletzt auch, welche Rolle in der Schweiz entwickelte Instrumente und die Space Research & Planetary Sciences in Bern dabei spielen.
«Wir verstehen unseren Planeten noch nicht so gut, wie wir glauben», sagt Zurbuchen. Und auch die Wahrscheinlichkeit, dass es extraterrestrisches Leben im Universum gibt, sei wohl grösser als vermutet.
Logistiker, immer auf praktikable Lösungen bedacht, könnten hier womöglich der Versuchung erliegen, den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu assoziieren. Zu den 13 Molekular-Bausteinen, die bislang als mögliche Grundlagen ausserirdischen Lebens im All, auf Kometen gefunden und in fernen Sonnensystem zu vermuten sein könnten, konnten bislang allerdings keine mit Staplerführerschein entdeckt werden – oder solche, die beim Kommissionieren nützlich sein könnten. Weshalb auch die Robotisierung bei wiederkehrenden Tätigkeiten weiter voranschreiten dürfte.
Klaus Koch
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- Geschrieben von: Klaus Koch