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Künstliche Intelligenz in der Temperaturgeführten Logistik? «Für Tiefkühlhäuser aber auch Frischelager», sagt Holm Riedel, Gründer und CEO des Ingenieur-Beratungsunternehmens «Energeering», «ist das eine echte Gelegenheit». Tatsächlich birgt die vielzitierte «KI» erhebliches Potential zur Senkung der Energiekosten, sagen Experten.

Lebensmittel- und Pharmaindustrie, wie auch Hersteller eines zunehmenden Spektrums an sensiblen Gütern geben oft mehr als die Hälfte ihrer Gesamtbetriebskosten zur Aufrechterhaltung spezifischer Temperaturen und Temperaturspannen auf, die während des Transports und der Lagerung empfindlicher Ware einzuhalten sind. Durch geschicktes Management der Anlagen, Stromspitzen und Schaltzeiten der Kompressoren lassen sich erhebliche Kosten einsparen, so die Fachleute anlässlich der zurückliegenden Generalversammlung des Schweizerischen Verbandes für Temperaturgeführte Logistik (SVTL) am Sempacher See.

 

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Strom-«Broker» Mauro Renggli, Betreiber einer Beschaffungsplattform namens «Renergy», die von rund 30 Stromlieferanten bedient wird, macht deutlich, dass die Energiefrage existentiell geworden ist. «Früher hat man den Stromeinkauf an den Hauselektriker, den Facility Manager oder Leiter des Einkaufs delegiert – heute ist das zur Chefsache geworden». Im Jahr 2022, als die Strompreise unter dem Eindruck des Ukrainekrieges heftig zu schwanken begannen (Renggli: «Die Terminmärkte explodierten…»), seien kleine Familienbetriebe, Metzgereien oder Bäckereien, durch bis zu 200.000 Franken an Mehrkosten in Bedrängnis geraten. Grosse Unternehmen seien teils dazu übergegangen, ihren Strom zu 100 Prozent am «Spotmarkt» einzukaufen, der sich allerdings auch täglich ändert. Einige seien gut damit gefahren. «Wenn Sie einen Verbrauch von 3 Mio. KWh haben, und der Preis auch nur um 1 Rappen schwankt, sind das eben schnell mal 30.000 Franken». Damit seien allerdings auch hohe Risiken verbunden.

 

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Weil sich der Preis von mitunter 5-6 Rappen / KWh auch schnell mal um zwei- bis sogar zu dreistelligen Werten bewegen könne, sei dem nur durch verschärfte Markbeobachtung zu begegnen. Es gebe unterschiedliche Modelle, den Stromeinkauf im Voraus zu optimieren. Typisches Beispiel eines Unternehmens, dem der «Broker» günstigere Preise verschafft habe, sei eine Bergbahn. «Denen schicken wir – logischerweise im Winter - immer schon die Preise für den nächsten Tag. Der technische Leiter sagt uns, in welchen Stunden er die Schneekanonen einsetzen möchte, und wir kaufen dann so ein, dass er zu den günstigsten Zeiten seinen Schnee produzieren kann».

 

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Holm Riedel (mit 25 Mitarbeitenden, Mandanten wie Unilever, Pfanni, Nordfrost und Energie-Management an rund 200 Standorten in Deutschland) springt in Kühlbereichen mit Ingenieurarbeit im Detail ein. Er lässt eine «KI» mit einem ausgefeilten Programm an Drehzahlregelung und Optimierung der Kennlinien an Verdichtern, Anpassung von Arbeitsdrücken, Neujustierungen an Verdampfern, Schiebern und Verflüssigern, sowie der gezielten Nutzung von Niedrigpreiszeiten (= hoher Anteil erneuerbaren Stroms) arbeiten. Die eingesparten Energiemengen addierten sich hier schnell auf sechsstellige Summen.

Wo ein Kühlhaus-Team in «händischer» Arbeit und anhand eigener Erfahrungswerte den Betrieb optimieren müsste, spiele die KI in fünf Minuten –zigtausend Variablen durch, die in Frage kämen.

 

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«Und zwar schrittweise für jede Viertelstunde mit jeweils nur leicht veränderten Eingabewerten an Verdichtern und Kühlstellen, um alle Varianten auf ihre Wirkung für die nächsten vier Tage hochzurechnen», so Holm. Am Schluss spucke die KI die Variante aus, die – wenn sie danach gefragt werde - die geringsten Energiekosten verspreche.

Wobei die Anlage, siehe Lebensdauer, auch nicht jede Viertelstunde an- oder wieder ausgeschaltet werden dürfe. Holm: «Sonst ist sie wenig später hinüber». Das sei noch nicht der Weisheit letzter Schluss, da auch die Algorithmen stets nur Annäherungen betreiben. Aber es produziere «Ergebnisse, die uns echt Spass machen».

 

SVTL GV KI Video Holm RiedelHolm Riedel. Foto: Koch

 

Wer mehr Strom zu preisgünstigen Tageszeiten beziehe, verbrauche zum Beispiel mehr Solar- und Windenergie. In Bezug auf den «Carbon-Footprint» müsse man in den Jahresberichten der grossen Unternehmen im Sinne der Nachhaltigkeit «eigentlich genau dies bilanzieren». So weit seien die Systeme aber noch nicht.

Wer seine Anlage optimal nutze, für den könne das Kühlhaus – insbesondere im TK-Bereich – in Form der Ware, des Baukörpers und der Regale, ein regelrechter Energiespeicher sein. Weil der Aufwand insgesamt nicht unbeträchtlich sei, lohne sich ein ausgefeiltes Management a la «Energeering» allerdings erst ab Grössenordnungen um 1 Mio. kWh. Ein «normales» Projekt amortisiere sich im Schnitt nach drei Jahren, so Riedel, manchmal allerdings auch schneller.

 

Wenn es um die Digitalisierung geht, ist als IT-Spezialist auch Raphael Pfarrer unter dem Consulting-Dach von Eraneos (vormals AWK) mit drastischen Beispielen zur Stelle. Vor allem, was die Qualität erhobener Daten betrifft. «In einer komplexen Datensammlung können Muster rausgelesen werden, die dann beispielsweise in der Logistik helfen, Planung und Prognosemodelle zu verbessern».

 

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Allerdings müssten die Daten «sauber» sein. Wenn man unsaubere Daten in ein KI-Modell «eintüte», komme Mist heraus. Pfarrer: «Das klassische Shit-in – Shit-out»-Problem.

 

Klaus Koch

 

Das Video zur KI-Diskussion anlässlich der GV jetzt auf

www.svtl.ch