Abb.: Spectaire

Natürlich nur «rein zufällig» hört sich die Kooperation zwischen dem Automobil-Logistiker Mosolf und dem US-Unternehmen «Spectaire» wie der 2015 gedrehte James Bond-Thriller «Spectre» an. Vorstands-Chef Jörg Mosolf rückt in Berlin mit einem auf Lkw montierbaren Mikro-Massenspektrometer im Koffer an. 

Mosolf, von untersetzter Statur und verschmitztem Humor, kommt – obwohl die Versuchung sicherlich da war – nicht mit dem «AirCore»-Koffer samt Instrumentarium auf die Bühne. Die Gerätschaft wiegt rund 11 kg, kostet laut dem nahe Boston beheimateten US-Hersteller Spectaire rund 2000 US-Dollar und ist am Stand im «Interconti» nur wenige Meter entfernt zu bewundern. Das Messverfahren wurde von Forschenden des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt und patentiert.

Koffer «AirCore». Foto: Spectaire

Das Wort «Abschaltmechanismus», mit dem Hersteller von Dieselfahrzeuge in den Vereinigten Staaten, wo der Abgasskandal seinerzeit aufflog, schwere Strafen einkassierten, will hier keiner mehr hören. Das Massenspektrometer gilt als nahezu unbestechlich, und misst bis auf Molekularebene hinunter Schadstoffe im Abgasstrom.

Moderator Ulrich Müller-Steinfahrt, Leiter des Instituts für Angewandte Logistik an der TH Würzburg-Schweinfurt, nutzt geschickt die Gelegenheit, die Problematik der CO₂-Reduzierung und passender Messmethoden zu umreissen. Denn bislang gibt es keine stringenten Vorschriften darüber, wie die tatsächliche Emissions-Belastung zu messen ist – ob direkt, indirekt über Fahrzeugstrecken und Standardwerte der CO₂-Zahlen für jeden gefahrenen Kilometer, oder direkt vor Ort durch reale Werte.

Der «Mann mit dem Koffer» (li.) Foto: klk.

Klar ist, sagt Jörg Mosolf, dass etwas getan werden muss, um dem EU-Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Denn bereits dann, wenn kein Nachhaltigkeitsbericht vorliegt, drohen empfindliche Strafen, die schnell in die Millionen gehen und bis zu zehn Prozent des Unternehmens-Umsatzes ausmachen können. Der gesetzgeberische Druck, der zwischenzeitlich aufgebaut wurde ist enorm. Eine per App kurzerhand in der Zuhörerschaft durchgeführte Umfrage führt zu dem Ergebnis, dass von 60 anwesenden Unternehmens-Lenkern eine überwiegende Mehrheit nur durch Vorgaben von staatlicher Seite tätig wird, ein Viertel deshalb, weil es zur Unternehmens-Strategie gehört, und ein weiteres Viertel, weil man sich gegenüber der Gesellschaft in der Verantwortung fühle. Viele Unternehmen, sagt Müller-Steinfarth, berichten über «die eine oder andere Massnahme». Nur 45 Prozent messen überhaupt. Oft würden die Messungs-Grundlagen gar nicht transparent gemacht. Abweichungen bis zu 50 Prozent – bei ansonsten gleichen Basiswerten der Emissionen - seien je nach Verfahrensweise und angewandter Methode keine Seltenheit.

Dabei gewinnen klare Aussagen mehr und mehr an Bedeutung. Andrea Goemann vom Transport-Dienstleister JAS verweist darauf, dass US-Banken inzwischen auch bei der Kreditvergabe fragen, ob eine Nachhaltigkeits-Strategie vorliege – ansonsten werde der Geldhahn schnell mal zugedreht.

Mosolf jedenfalls arbeitet künftig mit der Messung von Antriebsemissionen im Echtzeit-Betrieb. Spectaire`s «AireCore» misst laut Hersteller mit einer Genauigkeit von drei Millionstel Gramm (3 ppm) die molekulare Luftzusammensetzung von bis zu 18 Gasproben pro Minute. Dabei wird nicht nur der reine CO₂-Ausstoss ermittelt, sondern ebenso alle weiteren Emissionen, die als CO₂-Äquivalente (CO₂e) relevant sind, wie Feinstaub und Stickoxide.

U.Müller-Steinfahrt. Foto: klk.

Mittels der integrierten Internetverbindung können die Echtzeit-Daten an eine zertifizierte Datenbank übermittelt und sofort genutzt werden. Darüber hinaus ist Spectaire AireCore in die üblicherweise ohnehin schon in den Lkw verbauten Telematik-Systemen integrierbar. Damit sind routenbasierte, Lkw-basierte und flottenbasierte Emissionsberichte jederzeit mit einer eigenen App abrufbar. Die Daten können ausserdem für die vollumfängliche CO₂e-Bilanzierung des eigenen Fuhrparks genutzt werden.

«Auf unserem eingeschlagenen Weg zu emissionsärmeren Transportmöglichkeiten, ist die CO-Bilanz ein wichtiges Instrument, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Nachdem wir Spectaire am MIT besucht haben und die Technologie in Kombination mit dem Anwendungs-Know-How mit eigenen Augen gesehen haben, waren wir überzeugt, dass wir einen langfristigen und innovativen Partner für unseren Erfolg gefunden haben», berichtet Mosolf.

Im September 2023 wurde ein Auditor und Evaluierer beauftragt, den aktuellen Entwicklungs- und Fertigungsstand der Spectaire AireCore-Lösung zu begutachten. Ein Expertenteam wurde nach Michigan entsandt, um vor Ort die Design-, Prüf- und Fertigungsanlagen von Spectaire zu evaluieren. Das Ergebnis lautete darauf, dass das AireCore-Produkt den funktionalen Spezifikationen entspreche und auf dem Weg zur Anwendung in Fahrzeugen sei. Weitere Zertifizierungen und Tests sollen folgen, sobald AireCore den erforderlichen Reifegrad für die europäischen Standards im Bereich Nutzfahrzeuge erreicht habe.

Foto: BVL

Mosolf selbst ist gerade dabei, die eigene Lkw-Flotte von bislang fünf Elektro-Lkws in 2024 auf 15 aufzustocken («Das sind dann aber erst 1,5 Prozent unserer Flotte»), und die unternehmens-eigenen Solaranlagen schrittweise auf bis zu 120 MWh aufzustocken.

Die Bundesvereinigung Logistik hat in einem Arbeitskreis zu nachhaltiger Logistik eine Art «Beipackzettel» zur_Emissionsberechnung im Strassengutertransport entworfen, in dem auch die Lagerhaltung und WMS-Erwägungen berücksichtigt werden.

www.mosolf.com

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