Einen Blick auf künftige Formen der Mobilität, wie auch die besondere Verpflichtung der Deutschen, nicht mehr von Zwangs- und grober Fremdarbeit in globalen Lieferketten zu profitieren, bot dieser Tage ein Abstecher Politik-Interessierter aus dem deutsch-schweizerischen Grenzraum ins Räderwerk der Politik nach Berlin.
Kommunale Vertreter, Regionalprominenz und aktive Teilnehmende ergriffen die Gelegenheit, teils durchaus kontrovers auch logistische Zusammenhänge zu diskutieren, die sich aufdrängen. Auf Einladung des Bundespresseamtes und der stark in Sozial- und Menschenrechtsfragen engagierten Bundestags-Abgeordneten Derya Türk-Nachbaur kommt am Rande auch die Abhängigkeit der Wirtschaft von chinesischen Ressourcen, zum Beispiel in der Lithium-Ionen-Produktion in der Uiguren-Provinz Xinjiang, zur Sprache. Dort ist eine Millionen-Bevölkerung (die trotzdem arbeiten «darf»), strikten Umerziehungs-Massnahmen durch die Zentralregierung in Beijing unterworfen; während Bundeskanzler Olaf Scholz, zu Besuch bei Staats-Chef Xi Jinping, in der Beteiligung der Cosco an einem Terminal des Hamburgischen Hafen- und Logistik-Betreibers HHLA (der passend «Tollerort» heisst) kaum ein Problem zu erkennen vermag.
Futurium: In Zukunft alles anders?
Türk-Nachbaur kämpft unterdessen im Ausschuss und gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) darum, dass in afrikanischen Staaten wie dem Sudan chinesische oder von militärischen Interessen geprägte Einflussnahmen vom Kreml gesteuerter «Mitbewerber» mit den bekannten Begleiterscheinungen nicht die Oberhand gewinnen. Nebenbei fällt auf, dass auch die Entwicklungs-Zusammenarbeit im 12,35 Mrd.-Haushalt des Ministeriums nicht gänzlich unberührt von wirtschaftlichen Interessen agiert, da unter den «ausführenden Organisationen» neben der Entwicklungsbank KfW und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zugleich die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auftaucht.
Ortstermin im BMZ
Im BMZ arbeiten weltweit rund 1230 Beschäftigte, davon 60 Prozent am alten Standort in Bonn, rund 40 Prozent in Berlin. Etwa 130 sind rund um den Erdball unterwegs. Blockieren autoritäre Regime die Entwicklungs-Zusammenarbeit (siehe Jemen und Afghanistan), versucht das Ministerium, mit der Zivilgesellschaft in Kontakt zu bleiben. Wobei die Demokratie-Versuche in Ländern, in denen korrupte Eliten das Sagen haben, oft zum Scheitern verurteilt sind – zumal sie in Europa schlechte Vorbilder haben, die sich unter Vortäuschung falscher Tatsachen oft über Jahre hinweg EU-Gelder unter den Nagel reissen um sie in Freundeskreisen zu verteilen.
In Sierra Leone wird Bildung für Berufseinsteiger vermittelt, in der Demokratischen Republik Kongo die Teilhabe von Frauen im gesellschaftlichen Leben gefördert, in Uganda Trinkwasser per Energie aus Solarzellen aufbereitet. Eigen-Initiativen in der Kakao- (Elfenbeinküste) und Textilproduktion (Burkina Faso) werden gezielt unterstützt. Tendenzen zu Korruption, heisst es, werde – soweit möglich – durch permanente Evaluation und Prüfung von Projekten vorgebeugt.
Aktuell wurde auch am Lieferkettengesetz mitgewirkt. «Wir werden von grossen Konzernen aus Deutschland und der Schweiz konsultiert, die wissen wollen, wie der gesetzliche Rahmen sein wird», sagt ein Sprecher. Trotzdem haben FairTrade-Organisationen und Initiativen wie «Tonys Schokolonely» («Zu 100 Prozent frei von moderner Sklaverei»), die aber auch schon mal durch einen Importeur von schweizerischer Schokolade verklagt wurden, angesichts milliardenschwerer Grosskonzerne einen schweren Stand. Das Ministerium seinerseits wirbt mit Unterstützung, die an Werten orientiert sei – was angesichts dreistelliger Millionensummen, die beispielsweise von China für die Anlage von Häfen und Produktionsstätten in Afrika scheinbar ohne Auflagen gewährt werden, in vielerorts und je nach politischer Lage gern gepflegter Ambivalenz schon wieder als «schulmeisterlich» interpretiert werden könnte.
Im Dokumentationszentrum
Das von seiner kolonialen Vergangenheit belastete Europa, wird eingeräumt, tue sich hier im Wettbewerb mit anderen Nationen ohnehin etwas schwer, Uneigennützigkeit zu deklarieren. Und mit einer besonderen Hypothek sieht sich Deutschland in eigener Sache konfrontiert, wenn es um Zwangs- und Fremdarbeit geht. Die wird Besuchern im NS-Dokumentationszentrum in Treptow-Köpenick samt Mitwirkung heute noch massgeblicher Grossunternehmen und den Transfer grosser Teile in die Schweiz verschobener Gelder erklärt.
Im Nationalsozialismus befanden sich bis zu 13 Millionen Menschen in den Zwangsarbeiterlagern des Dritten Reiches, unter anderem aus Polen, Belgien, Frankreich, der Sowjetunion, und Italien. Von den allein 3000 Lagern existiert in Berlin nur noch dieses eine «GBI-Lager 75/76» – zur Abschreckung der damaligen Bevölkerung vom «Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt» unter Leitung Albert Speers mitten in einem Wohngebiet gebaut. Das heute dort eingerichtete Informationszentrum beschreibt den harten Alltag der Zwangsarbeit, Biografien und Schicksale. Fotografien und schriftliche Zeitzeugenberichte vermitteln einen Eindruck von menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen, rassistischer Diskriminierung, Angst und Unterdrückung.
Fotos: klk.
Dankbar ist, wer neben Mauerbesuch, Stadtschloss und Brandenburger Tor beim Ausflug in das 2019 an der Spree eröffnete «Futurium» unweit der Charitè, einen Blick auf die künftige Arbeitswelt mit Digitalisierung, Robothelfern und neuen Formen der Mobilität werfen darf. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen und Organisationen sind hier seitens der Wirtschaft BASF, Bayer, Boehringer Ingelheim, Siemens und die Telekom vertreten. Wichtige Grössen in Schlüsselposition, die auch in künftigen Zeiten massgeblich mitbestimmen werden, wohin die Reise geht.
www.bmz.de
www.bpa.de
www.tuerk-nachbaur.de
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- Geschrieben von: Klaus Koch