Am HRL
Im österreichischen Hohenems hat Kardex Mlog als Generalunternehmer für die auf Bewegungs-Systeme für Möbel spezialisierte Grass-Gruppe ein hochautomatisiertes Hochregallager mit rund 38.800 Paletten-Stellplätzen gebaut. Zu den Besonderheiten gehört eine vollautomatische Lkw-Entladung.
Das Unternehmen in Vorarlberg ist auf sanft gleitende Schubladen und elegant schliessende Schranktüren spezialisiert. Die Elemente sind weltweit gefragt. Um die Bestellvorgänge zu vereinfachen und um die Lieferzeiten zu verkürzen, wurde die Fertigwaren-Logistik aller europäischen Produktionswerke in 2020 am neuen Standort zentralisiert. Zuvor wurden die Bestellungen an vier Aussenlagern abgefertigt, was zu einer hohen Komplexität der Prozesse führte.
Projektleiter J.Moritsch
Die zur Würth-Gruppe zählende Firma sicherte sich deshalb bereits 2016 ein 52.000 qm grosses Grundstück bei Hohenems, um darauf ein idealtypisches Logistikzentrum zu errichten. «Wir haben einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben, an dem sich acht Intralogistik-Anbieter beteiligten», so Projektleiter Jürgen Moritsch. Das Distributionszentrum mit rund 38.800 Palettenstellplätzen wurde am 1. Juni 2020 in Betrieb genommen - das grösste Logistik-Bauprojekt, das bis dato im österreichischen Bundesland Vorarlberg realisiert wurde. Grass investierte 70 Mio. Euro.
Paletten pro Tag läuft hier vollautomatisch – wobei das System fünf unterschiedliche Palettentypen verarbeiten kann. Angeliefert werden die Paletten im Rahmen des Werkverkehrs direkt aus den umliegenden Produktionsstätten der Grass-Gruppe. Die eigenen Sattelzüge verfügen über spezielle Auflieger, deren Ladeflächen über eine im Boden versenkte Fördertechnik verfügen. Mit dem Andocken wird die mobile mit der stationären Fördertechnik verbunden und das Entladen beginnt – wie von Geisterhand rollen die Paletten aus den Fahrzeugen. «Nach rund drei Minuten ist der Auflieger leer und der LKW kann seine Fahrt fortsetzen», verkündet Logistikleiter René Malojer.
Am Warenausgang.
Jede Palette ist mit einem QR-Code versehen, der auf dem Weg in das elfgassige Hochregallager automatisch ausgelesen und mit den Daten im Warenwirtschaftssystem abgeglichen wird. «Unter anderem gibt der Barcode darüber Auskunft, um welchen Palettentyp es sich handelt. Dementsprechend entscheidet die Software, in welchem Teil des Hochregals ein Lagerplatz gesucht wird», erklärt Manuel Bonner, der als Mitglied der IT-Abteilung bei Grass das Lagerverwaltungssystem betreut. Bei Unstimmigkeiten werden die jeweiligen Paletten automatisch auf eine NIO-Strecke (NIO = «Nicht in Ordnung») ausgeleitet und dort manuell untersucht beziehungsweise korrigiert. Alle übrigen Paletten werden direkt über eine Förderstrecke zum Aufnahmepunkt des Hochregals transportiert, wo sie von einem der 11 Regalbediengeräte (RBG) vom Typ Kardex MSingle B 1000/34-ET empfangen und auf eine der 22 Regalebenen gehoben werden. Die von Kardex Mlog am Standort Neuenstadt am Kocher aus einem Stück gefertigten RBGs sind 34 m hoch und schaffen bis zu 40 Doppelspiele pro Stunde.
Optimierte Pickplätze
75 Prozent der hier eingelagerten Paletten verlassen das Lager wieder als Vollpaletten. Die übrigen 25 Prozent dienen als Quellpaletten für die Ware-zur-Person-Kommissionierung, die an zwei ergonomisch optimierten Pickplätzen stattfindet. Diese befinden sich auf einer Bühne, die vom Erdgeschoss über acht Scherenhubtische mit den Quellpaletten versorgt werden.
R.Malojer
Die Kommissionierer können sich die Quellpaletten Lage für Lage in der optimalen Höhe andienen lassen und die Packstücke mit Vakuumhebern auf die Zielpalette schichten. Zum Absichern der Bediener beim automatischen Wechsel der Ziel- und Quellpaletten ist jeder Arbeitsplatz mit Trittschaltmatten ausgestattet. Solange sich ein Picker im Gefahrenbereich befindet, sind die Scherenhubtische abgeschaltet. Leerpaletten werden automatisch über Leerpalettenstapler und Verfahrwagen bereitgestellt. Das Gewicht der Paletten wird über eine integrierte Waage erfasst. Sämtliche Leerpaletten sind mit einer Paletten-ID eindeutig gekennzeichnet.
Zudem verfügt jeder Kommissionierplatz über einen Leitbildschirm und fest zugewiesene mobile MDEs. Die Geräte sind pro Platz sowie über den gesamten Arbeitsbereich miteinander gekoppelt und kommunizieren als Einheit mit der Fördertechnik. Die Bildschirme leiten den Nutzer visuell und liefern ihm zugleich eine multimediale Übersicht. In Echtzeit erhält er weiterführende Informationen zum aktuellen Pick und seinem Arbeitsvorrat. Durch dieses leicht verständliche System konnte die Anlernzeit neuer Picker um 80 Prozent verringert werden.
Abb.: Kardex
Und nicht nur das: «Die zuvor schon niedrige Fehlerquote konnten wir durch diese Anordnung nochmals um 70 Prozent verringern und bewegt sich jetzt im Promillebereich», betont Jürgen Moritsch. Eine automatische Gewichtskontrolle der Zielpaletten trägt ebenfalls zu der extrem hohen Qualität der Kommissionierung bei.
Drei Pufferlager
Der An- und Abtransport der Quellpaletten erfolgt über Rollenbahnen, die Teil der umfangreichen Fördertechnik sind. Dabei kommen die Paletten entweder direkt aus dem Hochregal oder aus einem Nachschubpuffer vom Typ Kardex MSequence mit einer Kapazität von 82 Paletten. Das 12 m hohe Nachschub-Regal befindet sich direkt hinter einem der beiden Pickplätze und wird vollautomatisch von einem RBG vom Typ Kardex MSingle A bedient. Die Durchsatzleistung liegt bei 43 Doppelspielen pro Stunde.
Zwei weitere Pufferspeicher vom Typ Kardex MSequence mit einer Kapazität von insgesamt 420 Paletten wurden im Warenausgang installiert. Hier arbeiten zwei RBGs vom Typ Kardex MTwin S, die bei doppelttiefer Ein- und Auslagerung für einen Durchsatz von rund 54 Doppelspielen pro Stunde sorgen und die geplanten Touren vorsequenzieren.
M.Bonner
Das Auslagern der bis zu 1.500 Paletten pro Tag erfolgt innerhalb eines Auftrages nach der Massgabe «schwer vor leicht», um das spätere Verladen zu optimieren. «Mit Hilfe der beiden Warenausgangspuffer können wir jeden LKW innerhalb von nur 45 Minuten voll beladen und abfertigen», berichtet René Malojer. Bei ihrer Ankunft im Logistikzentrum erhalten die vorangemeldeten Fahrer einen Pager, der sie über den Start der Beladung und das zugeordnete Verladetor informiert.
- Details
- Geschrieben von: Klaus Koch