Im Prüflabor. Abb.: BMJ

In Zeiten, in denen die Sorge um körperlich intensive Tätigkeiten wie sie in der Logistik üblich sind, zu Exo-Skeletten und Kraftanzügen greifen lässt, sorgen auch ungewöhnliche Entlastungs-Möglichkeiten für Aufmerksamkeit. Eine fast schon legendäre kam 1971 von einer britischen Komiker-Truppe um John Cleese und Michael Palin. Jetzt wurde der ungewöhnliche Vorschlag medizinisch untersucht. Ergebnis: Gar nicht so schlecht. 

Zum Jahreswechsel nahm sich ein Team aus drei US-amerikanischen Professoren von der Arizona State University (Phoenix), der Kansas State University und Siddhartha S. Angadi, einem Experten für Kinesiologie (Bewegungswissenschaft) der University of Virginia (Charlottesville), der eigentlich grotesken Satire der Schauspieler Cleese und Palin («Monty Python») an. Dort ging es um den «Regulierungswahn» in einem fiktiven britischen Ministerium, das sich «Ministry of Silly Walks» nannte, und das zu konsultieren Pflicht sei, um in allen möglich und unmöglichen Körper-Positionen den Alltag bewältigen zu dürfen.

Trotz Überlastung den Humor nicht verloren. Foto: BMJ

Eine jetzt im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichte Studie des Wissenschaftler-Trios zeigt, dass die irrwitzig anmutenden Verrenkungen, die teils völlig ineffizient erscheinen, durchaus angetan sein könnten, den Kreislauf anzuregen und auch im Sitzen auftretenden Erkrankungen vorzubeugen.

Dies zu einem Zeitpunkt, da dem Fachmagazin zufolge das Klinikpersonal an chronischer Überlastung leidet und seinen regulären Tätigkeiten kaum noch nachkommen könne. Die Überlastung des einst legendären National Health Service NHS sei auch durch Selbstaufopferung (self sacrifice) kaum noch aufzufangen.

Trotz Kampagnen zur Steigerung gesundheitsfördernder Aktivitäten und der kardiovaskulären Fitness bei Erwachsenen, heisst es, seien die Folgen körperlichen Fehlverhaltens und Inaktivität in den letzten zwei Jahrzehnten nahezu unverändert geblieben. Laut der Studie, die in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal publiziert wurde, das von der British Medical Association in London herausgegeben wird, könnten Erwachsene ihre gesundheitlichen Werte verbessern, indem sie jeden Tag nur wenige Minuten lang «ineffizient» in der von Schauspieler John Cleese demonstrierten und viel belachten Art und Weise gehen.

Auswertung laut BMJ

Tatsächlich hätten sich die Geh-Stile von Mr. Teabag und Mr. Putey, gespielt von John Cleese und Michael Palin in der Monty Python Ministry of Silly Walks-Skizze von 1971, als variabler erwiesen als gewöhnliches Gehen, aber ihr Energieverbrauch sei nie gemessen worden.

Um die Forschungslücke zu schliessen, machte sich das Team daran, den Energieverbrauch beim Gehen mit geringer Effizienz mit dem Gehen mit hoher Effizienz zu vergleichen. Ihre Ergebnisse basieren auf Daten von 13 gesunden Erwachsenen (sechs Frauen, sieben Männern) im Alter von 22 bis 71 Jahren (Durchschnittsalter 34) ohne Vorgeschichte von Herz- oder Lungenerkrankungen und ohne bekannte Gangstörung.

Grösse und Körpergewicht wurden gemessen und jedem Teilnehmer wurde ein Video der Skizze des Ministry of Silly Walks gezeigt, bevor er drei Gehversuche von jeweils fünf Minuten Dauer auf einem 30-Meter-Parcours auf einem Test-Parcour durchführte.

Im ersten Versuch gingen die Teilnehmer in ihrem gewohnten Stil in frei gewähltem Tempo. Für die nächsten beiden Versuche wurden die Teilnehmer gebeten, nach bestem Wissen und Gewissen die Spaziergänge von Cleese und Palin nachzustellen, die sie im Video gesehen hatten.

Die während der fünfminütigen Spaziergänge zurückgelegte Strecke wurde verwendet, um die Durchschnittsgeschwindigkeit zu berechnen. In streng wissenschaftlicher Vorgehensweise wurden die Sauerstoffaufnahme (ml/kg/min), der Energieverbrauch (kcal/kg/min) und die Trainingsintensität (METs) – die pro Minute körperlicher Aktivität verbrauchte Kalorienmenge – der Probanden gemessen.

Dabei fanden die Forscher heraus, dass nur der «silly walk» zu einem signifikant höheren Energieverbrauch führte – etwa dem 2,5-fachen des üblichen Gehens.

 

Für Männer und Frauen zusammen betrug die Sauerstoffaufnahme während der normalen Gangart 11,3 ml/kg/min, ähnlich der bei Cleese angenommenen 12,3 ml/kg/min. Der «silly walk» löste indessen eine Sauerstoffaufnahme von 27,9 ml/kg/min oder 8 METs aus, was unter Sportlern bereits als intensives Training gilt.

In Bezug auf den Energieverbrauch war der Austausch von nur einer Minute des üblichen Gehstils durch eine Minute der albernen Verrenkungen mit einem Anstieg des Energieverbrauchs von 8 kcal/min für Männer und 5 kcal/min für Frauen verbunden.

Die Forscher schätzen, dass Erwachsene 75 Minuten intensiver körperlicher Aktivität pro Woche ersetzen könnten, indem sie etwa 11 Minuten pro Tag in diesem Stil – und nicht wie sonst üblich – normal gehen. Das Ersetzen der üblichen Schrittzahl durch den «silly walk» für etwa 12-19 Minuten/Tag könnte den täglichen Energieverbrauch um etwa 100 kcal erhöhen.

Dies würde den Wissenschaftlern zufolge die kardio-respiratorische Fitness erhöhen, das Sterblichkeitsrisiko verringern und keinen zusätzlichen Zeitaufwand erfordern, da es lediglich die ohnehin anfallende Bewegung durch körperliche Aktivität mit höherer Energie ersetze.

Glenn A. Glaesser, David C.Poole und Siddhartha S. Angadi betonen, dass es sich um eine experimentelle Studie handle, die auf einer kleinen Stichprobe basiere, und räumen ein, dass einige Menschen mit Handicap, Gangstörungen, Gelenkerkrankungen oder anderen Gesundheitsproblemen möglicherweise nicht in der Lage seien, diese Gangart umzusetzen. «Aber sie könnten auf andere Weise den Energieverbrauch bei ihren täglichen Bewegungen erhöhen», sagen sie.

Selbstversuch mit Exo-Skelett: Dem Vorbild schon recht nahe. Foto: klk/MAPO

«Unsere Analyse der Energie, die bei verschiedenen Arten des Gehens verbraucht wird, soll Menschen dazu befähigen, ihren eigenen Körper energischer – und hoffentlich freudvoller – zu bewegen», schreibt das Autoren-Team um Glenn Gaesser. «Bemühungen zur Steigerung der kardiovaskulären Fitness sollten Inklusivität und Ineffizienz für alle umfassen.» Die Monty-Python-Truppe war aufgrund ihres schwarzen Humors in der Vergangenheit schon des Öfteren wegen Darstellungen wie im «Leben des Brian» oder der «Wunderbaren Welt der Schwerkraft» heftiger Kritik und zeitweisen Aufführungsverboten ausgesetzt.

 

Pressemitteilung der Academy of Medical Science

Forschung: Quantifizierung der Vorteile ineffizienten Gehens

Fakten-Check: Messung des menschlichen Energieverbrauchs