Präsident Manzetti am Steuer

Mit einem ereignisreichen Event im Verkehrshaus in Luzern und einer Fahrt auf dem Schaufelrad-Dampfer «Uri» am Vierwaldstättersee beging der Schweizerische Verband für temperaturgeführte Logistik sein 75jähriges Bestehen. Rund 50 Teilnehmende bezeugten ihr Interesse an den zahlreichen SVTL-Aktivitäten.

Im Auditorium des Hans-Erni-Museums liessen Präsident Marco Manzetti und Geschäftsführer Georg Burkhardt das zurückliegende Jahr, wie auch das «Dreiviertel-Jahrhundert» des einst als Interessen-Gemeinschaft gewerblicher Kühlhäuser gegründeten Verbandes Revue passieren.

GV im Hans-Erni-Museum

Tatsächlich wurde das erste gewerbliche Kühlhaus der Schweiz im Jahr 1927 in Genf durch die Sociétê des gares Frigorifiques als Tochtergesellschaft der Schweizerischen Bundesbahnen sowie der Sociétê Francaise de Transport et Entrepots frigorifique (STEF), einer Tochter der Französischen Staatsbahnen (SNCF) gegründet. 1932 wurde auf Initiative der SBB und SNCF in Basel eine Bahnhof-Kühlhaus AG ins Leben gerufen. Auch die Deutsche Reichsbahn und die belgischen Bahnen beteiligten sich. Kühlgüter wurden seinerzeit vorwiegend auf der Schiene transportiert. In Genf und Basel wurden Eisfabriken eingerichtet, um die Waggons auf niedrigen Temperaturen zu halten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erarbeiteten die leitenden Herren der Kühlhäuser Luzern und in Basel die Statuten, nach denen ein Kühlhaus-Verband arbeiten könnte. Sie mündeten 1947 in die Gründung des Verbandes. Immerhin, sagt Präsident Marco Manzetti, waren von Anfang an neun Unternehmen dabei: aus Basel die Bahnhof-Kühlhaus AG, die Kühlhaus Genossenschaft Luzern, die Brauerei Hürlimann aus Zürich, die Gefrierhaus AG in St. Margrethen, die Sociétê des gares Frigorifiques in Genf, die Sociétê de Entrepots frigorifique Flon in Lausanne, die Tiefenbrunnen AG in Zürich, sowie das Kühllagerhaus Seebach und Luchsinger.

Die Maschine der «Uri». Fotos (3): M.Frutig / INOVERIS

Die Aufgabenstellungen, wenn auch in der gesamten Breite nicht auf den ersten Blick ersichtlich, erstreckten sich über zahlreiche Gebiete. Es ging um Lager-Reglemente, Verbands-Tarife, Belegungs-Statistiken, das Geschäft im Obligationenrecht, Versicherungsfragen, Brandschutz, Energiekosten und technische Anlagen wie Kompressoren, Verdampfer, Kommissionierung, Sortieranlagen sowie die Umsetzung von Richtlinien für das Arbeiten in der Kälte. Grosses Thema, so Manzetti, sei auch immer die Wahl der Kältemittel gewesen. Man habe sich für Ammoniak (NH3 bzw. R717) eingesetzt, «eines der wenigen Kältemittel, das sich klimaneutral verhält», da es weder die Ozonschicht schädige, noch zum Treibhauseffekt beitrage. Die Ausfall-Sicherheit der Kühlanlagen sei von hoher Bedeutung. «In manchem Lager stapelt sich schnell mal Ware im Wert von bis zu 100 Mio. Franken», so Manzetti. «Da braucht man schon gar nicht mehr den Schlüssel an der Eingangstür im Schloss umzudrehen, wenn mal die Maschinen ausfallen».

Furios: M.Scherrer. Foto: Koch

Die Aufbauarbeit von Manzettis Vorgänger Helmut Senn habe Früchte getragen. In jüngerer Zeit habe sich die Zusammenarbeit mit anderen Branchen- und Logistikverbänden gestärkt, die konstruktive Arbeit des ersten hauptamtlichen Geschäftsführers Peter Rupper über lange Jahre hinweg, wie auch die gegenwärtige Tätigkeit von Georg Burkhardt ausgesprochen bewährt. Die Mitarbeit an der Logistikmarktstudie, Veranstaltungen wie der Themen-Fokustag bei GS1, wie auch das Augenmerk auf Logistik 4.0 in der temperaturgeführten Lebensmittel-Supply-Chain seien als ausserordentlich zielführend eingestuft worden. Manzetti: «Wir sind ein kleiner Verband, der mit kleinen Ressourcen Grosses leistet».

Georg Burkhardt verweist auf kommende Schwerpunkte, die in der urbanen Logistik liegen, in einem aktuellen Projekt der ZHAW energie-autonome Logistik-Kühlketten fokussieren, und am 8. September auch wieder in einen Themen-Fokustag zur «Kühlkette im Wandel» münden werden.

Furios und von hoher Sachkenntnis geprägt gesellte sich hier zum Event ein in atemberaubender Geschwindigkeit gehaltener Vortrag von Maike Scherrer von der School of Engineering (Forschungs-Schwerpunkt Nachhaltiges Supply Chain Management und Mobilität) über die Entwicklung eines Simulations-Modells zu Fragen der jeweiligen Energie-Aufwände und CO2-Emissionen hinzu. Das Projekt wird von Züger, Aryzta, Ralog, stisa, Clemap, CarbonCare, Schwab-Guillod und dem SVTL unterstützt, und soll 2025 abgeschlossen sein.

Voll am Schwesterschiff vorbei

Erste Erkenntnisse sollen Aussagen über die verschiedenen Phasen des Energieverbrauchs ermöglichen. Demnach würden die Kühlhäuser jeweils nur etwa 1 Prozent des Energiehungers ausmachen, 25 Prozent die Transporte vom Erzeuger zum Logistik-Verteiler, und etwa 74 Prozent die anschliessende Distribution zum «Point of Sale». Das Simulations-Modell soll Auswirkungen der Wahl des Kühlmittels, der Nutzung von alternativen Antrieben (Elektro und/oder Brennstoffzelle bei Transport und Kühlung), multimodaler Verkehrsträger und weiterer Variablen in einen Algorithmus als Berechnungs-Grundlage der Gesamtbelastung erlauben. Endziel, so Scherrer, soll ein Lieferketten-Zertifikat sein.


In Zusammenarbeit mit Fördermitgliedern aus den Bereichen Planung und Kühl- bzw. Tiefkühllagerbau soll neu auch das Thema der Entwicklung von nachhaltigen und energieautonomen Gebäuden als Schwerpunkt in die Arbeit des SVTL aufgenommen werden.

Der «Digitalisierung» als Dauerbrenner und leider immer noch zu wenig wahrgenommener Chancen zur Optimierung betrieblicher Abläufe nahmen sich Raphael Pfarrer und Allan Nicholas von der AWK an. An einer Umfrage nahmen immerhin 78 Prozent der SVTL-Mitglieder teil. Der Bedeutung der Digitalisierung sind sich die meisten bewusst – allerdings fehle es vielen immer noch an einer Strategie zur Umsetzung derselben.

Die anschliessende Fahrt auf dem Schaufelrad-Dampfer «Uri» fand grossen Anklang – ebenso wie ein reichhaltiges Büffet, das im Umfeld historisch und originalgetreuer Holztäfelung an Bord des 1901 gebauten Schiffes gern wahrgenommen wurde.

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