Es gehört zu den grausigsten Bildern, die vorstellbar sind: Jemand wird in einen Rollenförder hineingezogen und trägt übelste Verletzungen davon. Eine solche Szene liess Interroll-Pionier Dieter Specht, Initiator eines neuen Systems namens Avancon, nicht mehr los. Sein Ziel: Eine absolut sichere, neue Fördertechnik.
Anlass soll unter anderem gewesen sein, dass die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA (Occupation, Safety and Health Administration) 2017 offiziell 25 schwere Unfälle im Zusammenhang mit Rollen- und Gurtförderern meldete, von denen zwei sogar tödlich verliefen. Natürlich, wusste der Technikpionier, gab es in allen Ländern bereits Sicherheitsbestimmungen für Fördertechnik. «Aber auch wenn ein Rollenförderer, der von Rundriemen, Poly- V-Riemen oder anderen Arten angetrieben wird, mit einer Sicherung versehen ist, um beispielsweise keine Gelegenheit zu bieten, mit einem Finger von aussen dazwischen zu geraten», sagt der angesehene Entwickler, «gibt es keinen Schutz, wenn man von unten greift».
Im vorliegenden Fall, der ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, ging eine Betriebsangehörige mit langem, lockigen Haar, die einige kleine Gegenstände in Händen hielt, in einem nicht näher benannten US-Unternehmen an einer herkömmlichen Rollenbahn vorbei. Eines der Teile fiel herunter und kugelte unter die Fördertechnik. Sie bückte sich, um es vom hinteren Teil aufzunehmen. In diesem Moment geriet ihr Haar von unten in den Antriebsmechanismus. Ihr Kopf wurde hochgezogen und die Kopfhaut teilweise abgerissen. Kollegen drückten sofort den Not-Aus-Knopf und zogen die schwer verletzte Frau aus dem Gefahrenbereich. Specht: «Ich dachte, wie kann ein Fördersystem heute noch so unsicher sein? - Ich habe mich dann entschieden, ein neues Förderkonzept zu entwickeln, bei dem alle Antriebselemente in den geschlossenen Rahmen eingebaut sind, um absolut sicher zu sein - auch wenn jemand von unten hinein gerät.»
Specht wollte nicht nur neue Rollen entwickeln, nicht nur ein neues Profilsystem oder ein anderes Antriebssystem, eine neue elektronische Steuerung, und erst recht nicht alles in und um die Rollen herum so entwickeln, wie er es zuvor längst getan hatte. «Heute sind Rollen mit festen Antriebsköpfen überholt».
Seine Alternative: Das «ZPC» -System (Zone Powered Conveyor) mit um bis zu 84 % reduziertem Energieverbrauch. Es gibt das geschlossene Rahmensystem aus natureloxierten Aluminiumprofilen, aus dem nichts herausragt, keine Schrauben, keine Stangen, keine Kabelverbinder, keine Stromversorgungsboxen, an denen man sich beim Vorbeigehen am Förderer verletzen kann. Das ist beispielsweise auch an Rollenbändern von Gepäckförderanlagen wichtig, wie sie inzwischen an mehreren Flughäfen in den USA installiert seien. Specht: «Nichts ragt heraus, nicht einmal ein Schraubenkopf». Das Verfahren der Extrusion der patentierten Aluminiumprofile erlaubte, das System gleichzeitig mit Rippen im Inneren zu entwerfen, in die alle Elemente wie Kugellagergehäuse, Steuerungen, Fotosensoren, Kabel und der neue Flachmotor einfach eingerastet werden. Die beiden Profilschalen werden am Ende durch eine Hammerkopfschraube zusammengehalten, die gleichzeitig zur Sicherung der Fussstützen dient. Avancon SA mit Sitz in Riazzino, Tessin, vertreibt das System über ausgewählte Hersteller von Fördersystemen und Systemintegratoren für Intralogistiksysteme inzwischen weltweit.
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- Geschrieben von: Klaus Koch