Der Zukunftskongress des Fraunhofer IML am 12. und 13. September steht unter dem Motto «Logistics goes AI«. Mit dabei neben dem IML und Digital Hub Logistics auch das Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen sowie die Open Logistics Foundation. Mit Erfolgsmodellen, wie dem «CV on Edge» von Julian Hinxlage.

Die KI-basierte Bilderfassung und -verarbeitung – Computer Vision, kurz CV – ermöglicht das Tracking von Waren und die Vermessung von Ladungsträgern mithilfe von Kameras. Die Silicon Economy gehört mit dem Projekt «CV on Edge« zu den Wegbereitern der neuen Technologie. Dabei schnüren die Forschenden ein Komplettpaket mit einer smarten Kamera und einem KI- bzw. AI-basierten Do it Yourself-Bildverarbeitungsdienst. Alle Entwicklungen werden als Open Source veröffentlicht – damit sie sich in der Logistik schnell verbreiten und etablieren können, auch und gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen.

Welchen Beitrag Software und Hardware zu mehr Effizienz im Wareneingang, beim Palettenmanagement oder am Lagerplatz leisten können, erläutert Silicon Economy-Forscher Julian Hinxlage, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML und Product Owner von «CV on Edge», im Interview.

 

Wie profitiert die Logistik bzw. welche Logistikbereiche profitieren von Computer Vision?

Julian Hinxlage: Die KI-basierte Bilderfassung und -verarbeitung mit Kameras ermöglicht es, Objekte zu detektieren, zu klassifizieren und zu identifizieren. Dafür gibt es in der Logistik zahllose Einsatzmöglichkeiten. Nur ein Beispiel: Die meisten Unternehmen haben keinen Überblick darüber, wo sich in ihren Lagerhallen leere Behälter befinden. Die werden einfach immer irgendwo abgestellt und Staplerfahrer verbringen viel Zeit damit, diese zu suchen und zu finden. Computer Vision sorgt für den Überblick: In der Lagerhalle werden Kameras installiert, die Bilder sämtlicher Behälter aufnehmen. Mithilfe Künstlicher Intelligenz lassen sich dann leere Behälter aufspüren. Im Moment funktioniert das ausgesprochen gut im Innenbereich – mit dem Use Case «Yard Lense», den wir gerade durchführen, gehen wir gerade aber auch in den Aussenbereich.

 

Künstliche Intelligenz, das klingt kompliziert …

Nein, das ist kein Hexenwerk. Mit unserem Guided Training Service, also einem geführten Training, kann jedes Unternehmen eine Künstliche Intelligenz anlernen – mit wenigen Einstellungen und Schritten, je nach Komplexität in wenigen Minuten. Das ist eine Riesen-Innovation. Ein Unternehmen muss zunächst einmal nur wenige Bilder eines Objekts in den Dienst laden, das erkannt oder auch gezählt werden soll: 20, 30 Fotos reichen für einfache Detektionen! Je mehr Bilder man hochlädt, umso robuster wird die Anwendung. Mit wenigen Bildern erkennt die KI Behälter tagsüber, mit mehr Bildern dann aber auch nachts. Je höherwertiger die Architektur, je engmaschiger die neuronalen Netze, umso mehr und besser erkennt die KI ihre Zielobjekte.

Abb.: IML

Der Dienst erleichtert die Anwendung des MLCVZoo – einer Komponente, die in der Silicon Economy für Bildverarbeitungsanwendungen entwickelt wurde …

Der MLCVZoo vereinigt unterschiedliche Machine Learning-Algorithmen auf Programmcode-Ebene und ist damit eher auf ML-Entwickler ausgerichtet. Mit «CV on Edge» haben wir darauf aufsetzend einen Do-it-Yourself-Dienst gemacht, der selbsterklärend und intuitiv ist. Man braucht dafür kein IT-Know-how, nur ein gewisses Grundverständnis.

 

Steht der Dienst schon zur Verfügung?

Wie alle Entwicklungen aus der Silicon Economy werden wir die Software demnächst als Open Source zur Verfügung stellen. Wir entwickeln den Dienst auch kontinuierlich weiter, haben bereits viele Ideen. So wollen wir es ermöglichen, dass man in einer Datenbank unterschiedliche Modelle hinterlegen kann. Ein Unternehmen kann dann auch vorhandenes Modell nutzen und mit weiteren eigenen individuellen Bildern anfüttern, um es für sich anzupassen oder robuster zu machen.

 

Wie gross ist das Interesse der Unternehmen?

Sehr gross! Wir haben in diesem Jahr bereits die Möglichkeit gehabt, den Dienst den Unternehmen auf den grossen Branchenmessen vorzustellen. Das Feedback war sehr positiv. Vielen fällt aus dem Stand eine Einsatzmöglichkeit ein: vom Zählen von Behältern bis zum Erkennen von Gefahrgut-Etiketten. Unsere Lösung ist auch für Logistik-IT-Dienstleister sehr interessant. Wir wissen, dass schon viele auf unsere Veröffentlichung warten …

 

Auch die smarte Kamera von «CV on Edge» scheint ein Zugpferd zu sein. Was ist das Besondere an dieser Kamera?

Die smarte Kamera ist eine sogenannte Edge-Kamera, das heisst: Die Intelligenz und die Datenverarbeitung finden direkt auf der Kamera statt. So müssen nur wenige Daten durch das Netzwerk oder über Mobilfunk transferiert werden. Zudem ist der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt. Weil man – ausser WLAN und einer Stromquelle – keinerlei Infrastruktur benötigt, ist die Kamera fast überall einsetzbar und nutzbar. Bei der Entwicklung haben wir darauf geachtet, dass die Kosten im Rahmen bleiben: Sie liegen zwischen 400 und 1.000 Euro pro Stück. Dank modularer, am Markt verfügbarer Zukaufteile können im Gehäuse zudem unterschiedliche Komponenten eingesetzt werden.

 

Wird der Bauplan auch als Open Source veröffentlicht?

Auf jeden Fall. Mit diesem Bauplan kann man die Kamera einfach ausdrucken – und sofort loslegen.

 

www.iml.fraunhofer.de